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Protest mit Traktoren gegen Flächenverbrauch (RNZ E-Paper)

Protest mit Traktoren gegen Flächenverbrauch 

Bündnis für Bodenschutz macht an diesem Sonntag in Mannheim mobil – Scharfe Kritik an Regionalplanung
Von Alexander Albrecht
Rhein-Neckar. Die Böden in der Natur werden unterschätzt und gelten in der öffentlichen Wahrnehmung häufig als verzichtbar. „Sie haben eben kein Fell und keine süßen Kulleraugen“, sagt Kim Sen-Gupta und zieht einen Vergleich zur Tierwelt. Sen-Gupta ist Sprecher des Bundesbündnisses Bodenschutz, ein erst vor drei Jahren gegründeter Verein mit Sitz in Weinheim. Das Bündnis zählt inzwischen rund 40 Mitglieder, überwiegend Initiativen und Verbände aus unterschiedlichen Bereichen. So kommt es, dass beim Pressegespräch in Mannheim Naturschützer und Landwirte einträchtig nebeneinander sitzen und den Schulterschluss üben.
Ihr Anliegen: den aus ihrer Sicht überbordenden Flächenverbrauch in der Region verhindern, die Böden für Klimaschutz, Artenvielfalt und Nahrungsmittelversorgung bewahren. Ingrid Hagenbruch, die Vorsitzende des Bündnisses, erinnert an ein Versprechen der damaligen Bundesregierung aus dem Jahr 2002. Spätestens 2020 sollten täglich „nur“ noch 30 Hektar Fläche pro Tag versiegelt werden. Ein frommer Wunsch.
„Heute sind wir bei 60 Hektar täglich“, ärgert sich Hagenbruch unter Berufung auf das Statistische Bundesamt. Aktueller Stein des Anstoßes ist aber die Fortschreibung des Regionalplans, den die Versammlung des Verbands Metropolregion Rhein-Neckar (VRRN) am Freitag, 9. Dezember, beschließen will. Laut Hagenbruch weist der Entwurf 2000 Hektar für Gewerbe und 2500 Hektar für Wohngebiete als Reserveflächen aus. Weitere 600 Hektar sind aufgrund von Wünschen und Anträgen aus den Kommunen neu hinzugekommen. „So geht es nicht weiter“, schimpft die Rechtsanwältin aus Weinheim.
Jahr für Jahr würde in der Metropolregion eine Fläche von rund 500 Fußballfeldern vernichtet. Deshalb ruft das Bodenschutz-Bündnis für den kommenden Sonntag zu einer Demonstration in Mannheim auf. Los geht es um 14 Uhr am Schloss. Das Motto: „Feldflur und Wald statt Beton und Asphalt!“ Rund 20 Traktoren von Landwirten aus der Region, vielleicht auch ein paar mehr, rollen eine kurze Strecke bis zum Hauptbahnhof, wenden dort und fahren wieder zurück, dahinter marschieren die Protestierenden. Anschließend wollen die Teilnehmenden – Hagenbruch rechnet mit 200 bis 250 – zum Marktplatz ziehen. Und auf jeden Fall vorbei an der „Zentrale“ der Metropolregion gegenüber des Stadthauses. Anschließend ist eine Kundgebung im Ehrenhof des Schlosses geplant.
Mit vielen Zahlen argumentiert beim Pressegespräch auch der Lampertheimer Willi Billau, promovierter Agrarwissenschaftler und Vorsitzender des Regionalbauernverbands Starkenburg in Südhessen, in dessen Einzugsgebiet 60 000 Hektar Ackerflächen und 120 000 Hektar Grünland entfallen. Gehe es mit dem Flächenverbrauch so weiter, „gibt es in 120 Jahren dort gar keine Landwirtschaft mehr“, hat er ausgerechnet. „Im Rhein-Neckar-Kreis sieht es genauso aus.“
Dabei bräuchten seine Kollegen mehr Platz, um mehr Nahrungsmittel anzubauen, ökologische Landwirtschaft zu betreiben und ihre Höfe erhalten zu können. „Und wir Naturschützer sind tief frustriert, dass Böden als wichtige CO2-Speicher verschwinden“, ergänzt Jenni Follmann, die Vize-Vorsitzende des BUND-Landesverbands Rheinland-Pfalz.
Und nicht nur das: Hagenbruch zufolge könne ein Hektar unbebauter Fläche die Umgebung um bis zu fünf Grad abkühlen und leiste einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz, beheimate mehr als 2000 Bodentiere und 1600 Milliarden Kleinstlebewesen und filtere 300 Liter Grundwasser. Das Bündnis plädiert statt der Verschwendung wertvoller Fläche dafür, Industriebrachen und leer stehende, bereits versiegelte Areale für neue Ansiedlungen zu nutzen. „In Deutschland stehen Gewerbegebiete in einer Größe der doppelten Fläche der Stadt Hannover leer“, weiß Follmann. „Diese müssen wir zunächst nutzen.“
Die Teilnehmenden der Demo am Sonntag sollen in Kuverts gelegte Erde aus Ackerböden mitbringen. Diese will das Bündnis am Dienstag, 6. Dezember, VRRN-Direktor Christoph Trinemeier übergeben. Nicht als Nikolausgeschenk, sondern als Auftrag an die Verbandsversammlung, die Böden sehr sorgsam zu behandeln.

Bildinformation: Keine neuen Gewerbegebiete auf der grünen Wiese bauen, stattdessen Industriebrachen und leer stehende, bereits versiegelte Flächen nutzen, verlangt das Bündnis. Symbolbild: Wolf

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